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von Caroline Frumert

Auf der Straße bin ich

Immer mehr Menschen gehen für das Klima auf die Straße: Unternehmerin, Feministin und Klimaaktivistin Caroline Frumert demonstriert regelmäßig mit Aktivisten der „Fridays for Future“-Bewegung. In ihrem Blog bei CO₂free spricht sie über ihre Beweggründe: Über Zweifel, die ihr bei den Aktionen kommen, aber auch über den Rückenwind, den sie dadurch bekommt. Seid Ihr auch schon auf einer Klimademo gewesen?

Ich packe meine Sachen und mache mich bereit. Bereit für die nächste Demo und bereit für die unerträgliche Hitze. Berlin Mitte Juni und es sind bereits jetzt über 30 Grad. Sonnenschutz, Demoplakat und jede Menge Wasser. „Fridays for Future“ hat aufgerufen: Bis zur Bundestagswahl möchten sie wieder jeden Freitag auf die Straße – ich bin dabei. Denn eins ist klar: #Klimawahljahr ist nicht irgendeine neue Kampagne, es ist ein Ultimatum an die Bürger*innen, an uns Wahlberechtigte und vor allem an die Politik. Denn die Jahrzehnte sind vorbei, in denen Parteien einen großen Bogen um das Thema Klima machen konnten. Jetzt wird’s ernst. Und während die einen dabei den klimaphysikalischen Zustand des Planeten meinen, nehmen die anderen Klima ins Wahlprogramm auf, ohne dabei einen handfesten Plan zu haben. Klingt halt gut.

 

Für mich gibt es mindestens drei Dimensionen, wenn ich auf der Straße demonstriere:

  1. Politische Beteiligung.

Kein Ort ist so lebendig und im Austausch und voll Farbe wie die Straßen voller Menschen, die etwas verändern wollen. Die ihren Alltag pausieren, um denen die unsere Gesellschaft qua Mandat gestalten zu sagen: „Hey, das mit dem Klima wird uns zu heiß, lasst das mal anpacken.“ Die darauf hoffen, dass die Medien genau diesen, mittlerweile weltweiten Protest, aufgreifen und auch in ihrer Berichterstattung angemessen über die Forderungen – nicht die Einzelpersonen dahinter – berichten. Diese politische Beteiligung ist so wichtig, denn sie gibt Rückenwind, all denen, die bestärkt werden müssen, dass konsequenter Klimaschutz, dass Transformation erwünscht und dringend nötigt ist. Aber auch Rückenwind für all jene, denen mit Hohn und Spott begegnet wird, weil sie was verändern wollen, obwohl sie ja „noch gar keine Ahnung vom Leben hätten“. Und auf der Straße geht es auch um politische Sichtbarkeit, auch gegen rechts und Verschwörungsmythologien, laut denen wir sowieso nicht in Wechselwirkung mit dem Klima stehen.

  1. Gesellschaftliche Veränderung.

Mit der Sichtbarkeit geht unweigerlich der Drang nach gesellschaftlicher Veränderung einher. Ich gehe nicht „nur“ auf die Straße um Berufspolitiker*innen Druck zu machen, ich gehe auch auf die Straße für dich, deine Nachbarn und die Menschen, die du liebst. Denn eines ist klar: Wollen wir das mit der Transformation und dem Abwenden des Klimakollaps schaffen, brauchen wir jede einzelne. Deshalb steht auf meinem Plakat: „Innerer Wandel <> Systemwandel.“ Denn das eine bedingt unweigerlich das andere. Wenn wir nicht einfordern, dass sich was verändert, dann wird dies schlichtweg nicht passieren. Das heißt, dass uns klar werden muss: ich bin Teil der Veränderung. Und damit meine ich nicht, dass wir mehr Demos brauchen (natürlich brauchen wir mehr Demos). Ich meine, dass wir in unserem jeweiligen Bereich Veränderung leben. In unseren Organisationen, im Gespräch mit Freund*innen und in unserer Nachbarschaft. Warum Systemwandel, ist das nicht radikal? Oft habe ich das Gefühl, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Unsere Systeme wurden so konzipiert, dass wir Klimagase wie Kohlenstoffdioxid bei nahezu allen Prozessen freisetzen, in unseren aktuellen Handelsstrukturen haben wir es bis heute – trotz „universeller“ Menschenrechte – nicht geschafft, Kinderarbeit und Ausbeutung abzuschaffen – im Gegenteil. Ein Systemwandel bedeutet für mich, die demokratischen Grundpfeiler, die frühere Generationen so umsichtig formuliert haben, endlich in die Tat umzusetzen. Für mich bedeutet dies in aller erster Linie, ein Leben in Würde für alle Menschen. Klimaschutz wird oft missverstanden. Er ist nicht weniger als Schutz der Menschen zu verstehen – im globalen Norden und vor allem im globalen Süden. Und der Spruch „Innerer Wandel <> Systemwandel“ steht deshalb da, weil wir endlich begreifen müssen, dass wir nur gemeinsam Veränderung schaffen. Nicht als Konsument*in, sondern als Bürger*in, als Chef*in oder Angestellte*r, als Künstler*in oder Journalist*in. Wir alle haben darüber eine Verantwortung und der werden wir nicht gerecht, wenn wir unsere Energie im Kleinklein vergeuden. „Soll ich jetzt die zwei Kilometer zum Unverpackt-Laden radeln oder doch zum Supermarkt an der Ecke gehen“. Ja, dieser innere Wandel, das Hinterfragen ist gut, ist wichtig. Aber das Gestalten unserer Strukturen trifft unsere Sorge und unsere Fürsorge im Kern am meisten, nicht der Kauf von Dingen. Lasst uns Strukturen so schaffen, dass es uns allen möglich ist, nachhaltig zu leben. Lasst es uns nicht vom Geldbeutel abhängig machen oder von Verfügbarkeiten. Gesellschaftliche Veränderung die Lust hat auf grüne Städte, ausgebaute Zugverbindungen quer durch Europa, auf echte Landwirtschaft statt Agrarindustrie mit Massentierhaltung. Das ist der Systemwandel, den wir brauchen. Ein Blick ins Hier und Jetzt, sollte klar machen, wie radikal wir an unseren Grundrechten vorbeileben. Und ich denke spätestens der Beschluss vom Verfassungsgericht zu Artikel 20a GG hat das deutlich hervorgehoben.

  1. Mentale Vorbereitung.

Ich gehe auf Demos in meiner sogenannten Freizeit. Als Anhängerin feministischer Ökonomie verstehe ich die Teilnahme an Demos als politische Arbeit. Denn –  wen wundert’s? – auch ich habe Hobbys, gehe gern tanzen, lümmel mit einem guten Buch auf dem Sofa. Aber ich beschäftige mich nun schon so lange mit Tierrechten, Umwelt- und Klimaschutz, dass ich merke: All dies fällt mir immer schwerer. Ja, es hat sich viel getan. Gerade im Bereich Bewusstsein für Tierleid wurde in den 18 Jahren, in denen ich keine Tiere mehr esse, so viel bewegt. Das stimmt mich zuversichtlich und hoffnungsvoll. Andererseits nehmen die Tage zu, in denen mir in allen Konsequenzen bewusst ist, dass ein Großteil klimatischer und ökologischer Veränderung nicht mehr abwendbar ist. Auf der Demo, bei über 30 Grad im Juni zum Beispiel, an denen ich überlege: „Wie heiß ist es hier in zehn Jahren zu der Zeit?“ Das sind harte Tage, an denen ich mich frage, was ich noch beitragen kann. Als Mutter zweier Kinder, Unternehmerin und Klimaaktivistin ist mein Alltag jetzt schon proppevoll und trotzdem habe ich das Gefühl, es reicht nicht aus. Auch deshalb gehe ich auf Demos, denn ich möchte bereit sein für das was da kommt und auch welchen Fragen ich mich seitens meiner Kinder stellen muss. In meiner inneren Wahrnehmung bin ich nun bei „Klimaanpassung“ angekommen. Also dem weiteren Schritt, der unsere Zukunft massiv prägen wird. Nämlich da, wo CO2-Einsparungen und Artenschutz bereits umgesetzt werden, sich auch auf eintretende Konsequenzen vorzubereiten. Weil dies noch nicht in unseren Kommunen angekommen ist und sicherlich noch etwas dauert, fange ich damit einfach schon mal an. Eine innere Balance zu schaffen, geht dann besten, wenn ich mit anderen aktiv Veränderung auf der Straße einfordere und mich dadurch selbstwirksam fühle und wenn ich mir bewusst mache: Klimaphysikalisch können wir 1,5 Grad noch einhalten. Es liegt nur an uns – und unserer Bereitschaft zum Wandel.

Quelle: Caroline FrumertCo-Founder | systainchange |

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